mein hund weiss nicht mehr wo die tür ist



sieben jahre leben wir nun schon zusammen und langsam, schleichend langsam, nehme ich veränderungen an meinem inzwischen 10 jahre altem hund war. immer öfter scheint er einfach orientierungslos in der ecke zu stehen und wenn ich ihn anspreche realisiere ich, dass er mich nicht zu verstehen scheint. sein blick ist starr geradeaus gerichtet als würde er in der ferne etwas ausmachen wollen. nach mehrmaligem ansprechen scheinen ihm dann wie schuppen von den augen zu fallen, sein blick verliert die starrheit und er kann wieder mit mir interagieren. kommandos werden aber trotzdem nur schleppend ausgeführt. das heisst, es braucht ab und an zusätzlich noch eine motivierende interaktion bis das verlangte ausgeführt werden kann. auch der schlaf-wach rhythmus verändert sich nachhaltig. auch dieses phänomen begann schleichend. erst wollte er nachts nur einmal raus. inzwischen sind es unzählige male. er steht dann vor meinem bett und jault ganz leise. öffne ich ihm die tür zum garten bleibt er aber oft völlig orientierungslos stehen, schüttelt sich dann nach einer geraumen weile, oder aber, er huscht raus, und bleibt dann wie angewurzelt stehen. rufe ich ihn an, kommt keine reaktion. er bleibt einfach nur stehen, er macht kein pippi, schnuppert nicht rum, reagiert irgendwann auf mein rufen und legt sich wieder hin. diese situation wird langsam etwas belastend, weil ich einfach keine nacht mehr durchschlafen kann. in der zwischenzeit holt er mich bis zu 6 mal pro nacht aus dem schlaf. die anderen hunde lassen sich zum glück nicht weiter von diesen aktionen stören, bleiben auf ihren plätzen und schlafen oder dösen weiter. auch das fressverhalten hat sich völlig verändert. manchmal scheint mir, alle seine gedanken drehen sich nur noch ums fressen. er kann dann auch lärmig werden wenn er das gefühl hat, die fressenszeit wäre nun nach. diese orientierungslosigkeit ist zunehmend. wie auch das inkontinent werden. er, der ehemals sehr saubere hund kann in bestimmten situationen seine blase nicht mehr hundertprozentig kontrollieren. des öftern befinden sich auf seinem liegeplatz feuchte stellen. noch ist es nicht soweit, dass höschen oder windeln angezogen werden müssen, aber diese zeit wird wohl schneller kommen als mir lieb ist. auch sein soziales verhalten hat sich stark verändert. er ist anhänglicher geworden und sucht im gegensatz zu früher viel mehr  körpernähe mit mir, aber auch mit moritz mötzli. er will gestreichelt und gekrault werden, mit dem kopf auf meinen beinen liegend. früher war gerade das gegenteil der fall. möglichst autonom seine sachen machen und möglichst keine nähe suchen. andere hundehalter deren hunde unter der gleichen alterskrankheit leiden, erleben was der soziale umgang betrifft, genau das gegenteil. es scheint fast, als würde das gegenstück des jahrelang gewohnten eintreten. ist meine subjektive meinung. und ja es ist eine alterskrankheit unter der mein vierbeiniger partner leidet. erst habe ich es als altersbedingte schwäche ausgelegt. die summe der verhaltensveränderungen haben mich aber etwas besserem belehrt und ich musste mich wohl oder übel mit der tatsache abfinden, dass es sich um eine altersdemenz handelt. in der hundemedizin sprich man von canines kognitives disfunktionssyndrom (CCD). es ist eine neurodegenerative erkrankung. warum manche hunde an demenz erkranken, und andere nicht, ist nicht geklärt. aber wie beim menschen spielt halt auch das immer älter werden eine grosse rolle. je älter ein hund wird, desto grösser ist das risiko an demenz zu erkranken. durch die domestikation, sprich sich an geschützten orten aufhalten, hochwertige, regelmässige futteraufnahme, sofortige medizinische versorgung beim geringsten anzeichen von gesundheitlichen problemen,  keinen kämpfen um ressourcen ausgesetzt sein, ist ihre lebenserwartung gestiegen. weitere indikation bei vielen an dieser krankheit leidenden hunde sind mögliche anzeichen von dauerhafter ängstlichkeit, unkontrolliertem zittern, koordinative bewegungseinschränkungen, gleichgewichtsstörungen. diese symptome können dank medikamenten gelindert werden. für die demenz selber gibt es bis heute leidernkeine behandlungsmöglichkeit. ich versuche mit der abgabe von omega 3 fettsäuren die krankheit etwas zu verlangsamen, und seit neustem geben wir ein beruhigungsmittel damit er die nächte wieder besser durchschlafen kann. sonst versuche ich halt mit der situation bestmöglich umzugehen. auch wenn es mich mal nervt, dass ich schon wieder aus dem schlaf geholt werde, oder weil urin verloren gegangen ist, bestraft wird der hund keinesfalls. ich weiss ja, dass mein hund, als er noch gesund war, absolut integer war in solchen situationen. was mir das leben im moment etwas schwierig gestaltet ist, den umstand akzeptieren zu können, dass mein hund eine lebensphase erreicht hat, wo er nicht mehr so agil durch unser gemeinsame leben gehen kann, wie auch schon. ich muss lernen, mich in diese neue miteinander hineinzufühlen und meine wünsche dem alter meines hundes anpassen. das heisst, ihn in seinen jetzigen bedürfnissen auszulasten. einfache kommandos, kürzere dafür öfters einen spaziergang einschalten, ich muss lernen mit seinem alter und seiner krankheit umzugehen und mich anpassen. auch, dass die ruhephasen länger werden, wobei das ist bei gesunden geriatrischen hunden genauso wie bei demenz erkrankten. die ansprüche eines alten hundes verändern sich, genau wie bei einem mensch, was aber nicht eine verminderte lebensqualität bedeuten muss. und trotzdem kann das zusammenleben mit einem demenzkranken tier irgendwann zu einer sehr grossen belastung werden. gerade wenn man keine weitere person zur unterstützung hat. dann bleibt unter umständen nicht aus, dass man psychisch und physisch an eine grenze kommt, und aufpassen muss, nicht selber krank zu werden. dazu kommt dann noch die ungewissheit, ob das leben für den hund noch qualität hat, die frage kommt auf wegen eventuellen schmerzen, wobei die demenz an sich ja nicht schmerzen verursacht. es tut sich einfach eine unsicherheit auf und man hat ängste, dass man aus egoismus dem hund zuviel qualen zumutet. das ist dann meistens der punkt, wo das einschläfern lassen zum thema wird. in absprache mit einem tierarzt oder verhaltensmedizinisch ausgebildetem verhaltenstherapeut sollte dann genau abgewogen werden wie lange der halter die situation noch durchstehen kann ohne gesundheitlichen schaden zu nehmen. diese schwierige entscheidung hängt vom grad der demenz, dem fortschreiten anderer krankheiten, und der gemeinsamen verfassung ab denn, bei aller liebe zum hund muss man sich bewusst sein, dass nicht riskiert werden kann, dass der mensch zum patient wird. mein rat, wenn ich gefragt werde, ist, auf sein bauchgefühl zu hören, den ratio einschalten, pro und contra genaustens abwägen, emotionen beiseite lassen und dann nach dem austausch mit fachpersonen zu einer entscheidung gelangen. zu einer entscheidung die man jederzeit mit gutem gefühl vertreten kann. eine entscheidung die jeder für sich selber treffen muss und aussenstehende nicht das recht haben diese zu hinterfragen, kritisieren oder als unethisch zu betiteln.

                               

Kommentare